Ein Tag in Nyamisati

09:30 Uhr. Der Wecker klingelt in der „Pedo Lodge“, etwa 5 Gehminuten vom Dorfzentrum des 300 Einwohner-Dorfes Nyamisati entfernt, direkt neben der einzigen Tankstelle in einem 35 Kilometer-Umkreis. Am Vorabend haben wir in der lokalen namenlosen Bar mit der Besitzerin abgesprochen, dass wir gegen 10 Uhr ein Frühstück bekommen. Spanish Omelette, Chapati, ein bisschen Wassermelone und Banane, Africafe-Instant-Coffee mit Wasser aufgegossen, welches intensiv nach Ingwer riecht. Frühstück der Champions!

Die Fähre in Richtung Mafia Island fährt heute gegen 16 Uhr, oder 17 Uhr, oder auch später. Unsere einzige verlässliche Quelle ist Shabani, ein Lehrer aus dem Dorf, welcher sich jedoch um 10:30 Uhr bei uns am Frühstückstisch das erste Bierchen genehmigt – naja, es ist schließlich auch Sonntag. Dennoch bringt er uns nach dem Frühstück zur lokalen Ticketverkaufsstelle in einem heruntergekommenen Gebäudekomplex. Zwei Männer stehen hinter einem Tresen und verkaufen die Tickets für die Fähre und da wir mit einem netten Schweizer Geschwisterpaar unterwegs sind erhalten wir einen „Gruppenrabatt“ und müssen somit anstatt der 25$ für Foreigners nur 20$ pro Person bezahlen – handeln lohnt sich immer. Zur Ausstellung der Tickets werden unsere Reisepässe benötigt, also laufen wir zurück zu unserem Guesthouse und packen bei der Gelegenheit auch gleich unsere Badesachen ein, da Nyamisati direkt an einem Flusslauf gelegen ist. Eben jenen Flusslauf zeigt uns Shabani, nachdem wir erfolgreich unsere Tickets erhalten haben. Wir laufen ein Stück durch das Dorf, vorbei an kleinen Läden vor denen Pommes („Chipsi“) in wok-ähnlichen Töpfen über offener Flamme frittiert werden. Frauen transportieren alles Mögliche (!) auf ihren Köpfen balancierend, abgesehen von lebenden Hühnern, diese werden mit einem festen Griff am Flügelansatz gepackt um sie unbeweglich und ruhig zu halten. Wir passieren eine Gruppe junger Männer, welche neben kleinen selbst zusammengezimmerten Holzhütten auf Stelzen im Schatten sitzen und sich unterhalten, miteinander Bao spielen oder einfach ein Mittagsschläfchen in der drückenden Hitze halten. Shabani erklärt uns dies seien die lokalen Fischer, da wir aber gerade Low Tide haben und die selbst gebauten Holzboote auf Grund liegen müssen die Fischer genau wie wir bis Nachmittags warten, damit die Boote wieder auslaufen können.

Der Fluss selbst ist ein breiter Flusslauf, umgeben von Mangrovenwäldern und zeichnet sich am Ufer eher durch eine braune schlammartige Masse als durch klares Wasser aus – die Badesachen haben wir also umsonst mitgenommen. Wir erhaschen ebenfalls einen Blick auf unsere Fähre und es kommt der Gedanke auf, dass wir den Gruppenrabatt wohl doch lieber vehementer ausgehandelt hätten...

Wir unterhalten uns über die Schwierigkeiten des lokalen Fischfangs (da die Fischer keine motorisierten Boote haben können sie wohl nur bei High Tide in den nahegelegenen Mangrovenwäldern hauptsächlich Welse fangen gehen) und drehen wieder um, es ist etwa 12 Uhr und die Mittagshitze wirkt erdrückend. Laut Shabani ist das einzige Mittel dagegen ein kaltes Bier in unserer Bar, also gesagt, getan.

Die Bar ist bis auf uns 4 Europäer, Shabani und einem weiteren Gast (laut unserem Führer ein Engineer auf der Fähre mit einem gelben „Crew“ T-Shirt, welcher sich ebenfalls ein Bier gegen die Mittagshitze genehmigt) leer. Der Sohn der Besitzerin spielt auf dem Boden und wir nehmen im Schatten auf den bunten Plastikstühlen mit Blick auf den Flachbildfernseher Platz. Die Stunden vergehen, weitere Gäste kommen und gehen, das Fernsehprogramm wechselt von Kampfsport über heimische Musikvideos zur Fußball Bundesliga (laut einem Durchreisenden wechselt Haaland nächste Saison safe zu Manchester City). Wir vertreiben uns die Zeit mit Lesen, Tagebuch schreiben und beobachten das lokale Treiben. Man sollte meinen so ein Tag wäre langweilig, aber es herrscht immer mal wieder Aufregung: Hühner müssen aus der Bar verscheucht werden, eine Ziegenherde rennt vorbei, Busse fahren laut hupend die Straße entlang, Schüler von Shabani kommen und ersuchen seinen Biertrinkenden Rat und sobald jemand in der Bar eingeschlafen ist machen sich seine Freunde einen Spaß daraus ihn wieder aufzuwecken. Außerdem werden wir gemeinsam mit den anderen Gästen erneut verköstigt: Rindfleischstücke, Gemüse und Pilau Reis, wirklich sehr lecker.

Kurz nach dem Essen um 16 Uhr bricht plötzlich Hektik aus, anscheinend ist die Fähre gleich abfahrbereit und daher bereit zum Boarden. Wir ziehen unsere Backpacks auf, verabschieden uns winkend von der liebevollen Barbesitzerin und laufen in Begleitung von Shabani zum Fährterminal. Nach weiteren 15 Minuten bricht dort erneut Chaos aus, Menschen stürmen zur Fähre und reihen sich drängelnd und schubsend auf der engen Zugangsbrücke auf, wir mit unserem Gepäck mittendrin. Shabani winkt und wünscht uns eine gute Reise und wir gehen gemeinsam mit den Einheimischen, Kisten voller Tomaten und Bananen und ein paar lebendigen Hühnern auf unsere Fähre in Richtung Mafia Island. Was für ein geiler Tag in Nyamisati! 

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