Alles begann mit einem Loch in einem Felsen im Meer
Nach einem gemütlichen Abend in Colchester führt uns die heutige Fahrt bis nach East London, beziehungsweise in einen Vorort namens Gonubie. Hanna ist mittlerweile eine absolute Expertin darin AirBnbs in unserer Preisklasse in Vororten von großen Städten zu finden, dadurch stoßen wir echt häufig auf wahnsinnig schöne Unterkünfte, manchmal wirklich weit von den Städten entfernt haha. Wir kommen am frühen Nachmittag dort an, erkunden ein wenig die Gegend und den nahegelegenen und völlig nebligen Strand, gehen einkaufen, kochen uns abends klassisch ein paar Nudeln und schauen stundenlang Arte-Dokus.
Unser Ziel für die nächste Woche ist ein kleiner Küstenort namens Coffee Bay, wir haben beschlossen uns eine kleine Auszeit zu nehmen und uns dort mitten im Nirgendwo für eine Weile häuslich einzurichten. Unterwegs decken wir uns mit Wasserkanistern und Lebensmitteln ein und je näher wir Coffee Bay kommen, desto glücklicher sind wir über unsere Entscheidung – unser Weg führt uns nämlich über eine Schotterpiste entlang wunderschöner grüner Hügel und kleinen runden Lehmhütten. Als wir ankommen, unseren Host John kennenlernen und dann unsere eigene runde Hütte sehen sind wir komplett begeistert. Der Blick von unserer Terrasse ist unglaublich, unsere Hosts wohnen mit einem Gemüsegarten voller Ziegen, Esel, Hunde und Hühnern ein paar Meter neben uns und sind einfach die nettesten Menschen überhaupt. Den ersten Abend verbringen wir nach der langen Fahrt nur mit Kochen und genießen nach Sonnenuntergang die Stille (man hört nichts außer Meeresrauschen) und den Sternenhimmel, da es so gut wie keine Lichtquellen um uns herum gibt. Jeden Morgen kocht uns John ein deftiges Frühstück (er übertreibt es gerne haha) mit Zutaten aus seinem Garten und der besten Chilisoße die wir auf der ganzen Reise essen werden und wir verbringen unsere Tage damit zu lesen, zu schreiben, uns zu sonnen und zu kochen und viel zu schlafen. Als am zweiten Abend der Strom ausfällt (ein Problem mit dem Südafrika genauso zu kämpfen hat wie Tansania – leider sind Solaranlagen in der Anschaffung für Privatleute meist viel zu teuer), macht uns John sogar eine Pizza in seinem Gasofen und als sich abzeichnet, dass der Strom so schnell nicht zurückkehren wird, organisiert er uns einen Gaskocher, damit wir uns ab dann wieder selbst versorgen können – bester Mann.
Die weiteren Tage plätschern so vor sich hin, der Strom kehrt nach 2 ½ Tagen wieder zurück, wir machen Erkundungstouren zum Strand und ins Dorf und an unserem letzten Tag noch einen Ausflug zu dem sogenannten „Hole-in-the-Wall“, einer Felsformation im Meer ca. 20 Autominuten entfernt. Das „Hole-in-the-Wall“ ist genau das was der Name besagt, ein Loch in einer Felswand mitten im Meer. Nicht besonders spannend, die Umgebung mit einem kleinen Waldabschnitt am Meer, freilaufenden Kühen und Eseln und einem wunderschönen Fluss ist dafür aber wirklich beeindruckend. Ab dann wird es verrückt. In einer nahegelegenen Hotelanlage gönnen wir uns etwas zu trinken bevor wir zurückfahren und machen etwas Recherche, wo wir denn morgen überhaupt hinfahren möchten. Dort lernen wir André kennen, einen älteren wahnsinnig netten Südafrikaner, der gerade einen Angelausflug in Coffee Bay macht, uns anspricht und uns Tipps für die weitere Reise gibt. Nach etwa 10 Minuten Gespräch lädt er uns in sein Ferienhaus in einem kleinen Städtchen namens Hibberdene ein, er weckt seine Tochter Andréa auf, wir sind uns sympathisch und beschließen ihm und seiner Familie einen Besuch abzustatten. Sebi sagt mittlerweile regelmäßig auf der Reise, dass er bald gläubig wird wenn das so weitergeht haha. Es ergeben sich so viele unglaublich schöne Zufälle, einfach nur, indem wir nett zu allen sind und neugierig und ohne Vorurteile durch die ganzen Länder stolpern – Hammer!
Trotz Vorfreude auf unseren Besuch bei André verlassen wir Coffee Bay am nächsten Morgen etwas wehmütig, der einsetzende Regen macht die Entscheidung aber ein wenig leichter. Aufgrund des schlechten Wetters beschließen wir heute einfach nur Auto zu fahren und kommen nach knapp 6 Stunden in einer Kleinstadt namens Port Edward an, etwa eine Stunde von Hibberdene entfernt. Dort übernachten wir in einem riesigen Anwesen bei einem netten Ehepaar, gehen Abends noch schnell etwas Essen und fallen müde ins Bett, schließlich haben wir uns die vorherige Woche so gut wie gar nicht bewegt haha. Wir gehen am nächsten Morgen noch ausgiebig auf einer Kaffeeplantage frühstücken, führen ein paar Telefonate und kommen dann nachdem wir ein 12-Pack Bier als Gastgeschenk gekauft haben, in Hibberdene an. Dort finden wir das Haus erst nach einem Telefonat im zweiten Anlauf und werden absolut herzlich von André und seiner Frau Nelly begrüßt. Wir bekommen unser eigenes Zimmer und eine kleine Führung durch das Haus, geben unser Gastgeschenk ab (André trinkt kein Bier, ups) und lernen die 8 Hunde kennen. Einer dieser Hunde namens Gus ist ein südafrikanischer Boerboel und sieht eher aus wie eine Mischung aus Löwe und Pferd, nach ein paar Stunden haben wir uns aber an ihn gewöhnt und nach zwei Tagen traut sich Sebi sogar das erste Mal ihn zu streicheln. Im Laufe des Tages füllt sich das Haus immer mehr, wir werden auch in den nächsten Tagen feststellen, dass bei unserer neuen südafrikanischen Adoptivfamilie einfach immer verschiedene Leute zu Besuch sind. Die Nachbarn kommen vorbei, später kommt Andréa mit ihrer Cousine, sowie deren Mann und Tochter. Wir werden von allen liebevoll aufgenommen und am Abend gibt es einen typischen südafrikanischen Braai, die Volkssportart, ähnlich wie in Deutschland das Grillen im Sommer und wir sitzen bis spät nachts gemeinsam trinkend im Garten. Eigentlich hatten wir uns vorgenommen nur zwei Nächte zu bleiben, um die Gastfreundschaft der Familie nicht zu sehr zu strapazieren, weswegen wir am nächsten morgen früh aufstehen wollten, da wir Andréa versprochen haben alle gemeinsam Ziplinen zu gehen. Klappt irgendwie nicht so, war dann doch zu spät gestern. Es deutet sich beim gemeinsamen Frühstück daher schon an, dass wir noch ein wenig länger bleiben werden, schließlich müssen wir ja unser Versprechen halten! Wir fahren also mittags gemeinsam zu einer nahegelegenen Schlucht namens Oribi Gorge, spazieren dort herum, applaudieren den ängstlichen Touristen beim Überqueren der verschiedenen Hängebrücken, essen abends wieder alle gemeinsam (es ist Wahnsinn, wie viel Essen durchgehend für alle Besucher auf dem Tisch steht) und verquatschen uns anschließend schon wieder mit Andréa. Nach der zweiten kurzen Nacht beschließen wir noch einmal zwei Nächte dranzuhängen. Es ist laut und chaotisch vor Ort, aber einfach nur schön und wahnsinnig herzlich. Den Mittag verbringen wir mit Andréa beim Minigolf und bringen ihr abends Wizard bei, offensichtlich fehlen uns auch Franzi und Flo haha. An diesem Abend schaffen wir es früher ins Bett, das mit dem Ziplinen sollte also morgen im dritten Anlauf kein Problem sein.
Unser letzter Tag verläuft wieder einmal chaotisch, aber einfach nur schön. Wir brechen morgens auf zu einer anderen Schlucht in einem kleinen Wildtierreservat in der Nähe auf und müssen unterwegs erst einmal einer riesigen Echse auf der Straße ausweichen. Im Reservat fahren wir an Zebras und Gnus vorbei bis zur Schlucht, in der die 14 verschieden langen Strecken aufgebaut sind. Wir ziplinen (komisches Wort) über Schluchten und Seen, durch Wälder und werden bis zu 100 km/h schnell und haben wirklich unfassbaren Spaß dabei. Als wir nachmittags wieder zurückkehren, ist mittlerweile Andréas Schwester mit Ehemann und zwei Kindern angekommen, die Nachbarn sind natürlich auch schon wieder zu Besuch und der nächste Braai steht an. Als Sebi gemeinsam mit Andréa aus dem Garten Feuerholz für den Grill holt, müssen sie erst einmal unverrichteter Dinge umkehren, da der Holzstapel von Schlangen bevölkert ist – aber kein Problem. Bewaffnet mit einem Laubbläser starten sie den nächsten Anlauf, Sebi hält die Schlangen fern während Andréa flink ein paar Holzscheite aus dem Stapel zieht, Abendessen gerettet. Wir verbringen den letzten Abend noch mit ihr, dieser unfassbar aufgeweckten und liebevollen jungen Frau, die wir mittlerweile wirklich ins Herz geschlossen haben und direkt nach Deutschland / Österreich eingeladen haben. Am fünften Tag ist es Zeit für uns aufzubrechen, obwohl uns alle etwas verwundert ansehen, wieso wir denn schon weiterreisen, wir waren schließlich für irgendeine Hochzeit am Wochenende als Gäste schon fest eingeplant und eigentlich wäre es sowieso kein Problem wenn wir bis zu Andréas Geburtstag Ende Februar bleiben würden. So viel Gastfreundschaft ist wirklich einfach nur überwältigend. Obwohl wir gerne geblieben wären, wollen wir unsere Reise natürlich fortsetzen und verabschieden uns vor allem von Andréa schweren Herzens am nächsten Morgen. Aber natürlich nicht, bevor Nelly, eine ehemalige Friseurin, Hanna noch die Haare geschnitten hat und uns dann noch ein halbes Kilo selbstgebackene Brownies mit auf den Weg gibt – was für unglaublich korrekte Menschen und eine wirklich geile Erfahrung ein paar Tage im Leben einer südafrikanischen Familie teilhaben zu können. Danke dafür!
Nachdem wir wieder auf uns alleine gestellt sind, sind wir irgendwie ein bisschen verloren. Tagelang wurde für uns gekocht, unsere Tage waren voller Programm und wir mussten uns eigentlich um nichts kümmern, ein ziemlicher Kontrast zu den letzten Monaten. Um uns abzulenken, fahren wir erst einmal in einen nahegelegen Wasserpark und gehen ein bisschen rutschen haha. Dort verbringen wir ein paar lustige Stunden und setzen unsere Reise in das 2 Stunden entfernte Durban fort, einer der größten Städte Südafrikas, wo wir eine Unterkunft für zwei Nächte gebucht haben, um anschließend in Richtung Drakensberge aufzubrechen. Fünf Minuten nachdem wir in der Stadt sind, haben wir auch schon wieder genug, verkürzen unseren Aufenthalt auf eine Nacht, bestellen uns abends etwas zu Essen und gehen einfach früh schlafen.
Der Kontrast einer Großstadt zu den vorherigen Wochen in kleinen Dörfern in der Natur ist uns ein bisschen zu heftig und so gehen wir am nächsten Morgen nur kurz an der Strandpromenade spazieren (unterwegs sehen wir wie ein Auto gerade aufgebrochen wird, Blick Richtung Boden und weiterlaufen haha), frühstücken und suchen uns anschließend eine Unterkunft in einer kleinen Küstenstadt namens Umkomaas etwa eine Stunde Fahrt entfernt.Die ganzen Ausflüge und kurzen Nächte der letzten Tage stecken uns ganz schön in den Knochen (wir werden eindeutig älter), sodass wir erst einmal drei Tage in unserem Häuschen entspannen und einfach nur viel lesen, viel schlafen und viel essen. Da es zwei Tage davon durchregnet, kommt uns das auch ganz gelegen und unsere Hauptbeschäftigung besteht darin, morgens die unzähligen Affen und Vögel im Garten zu beobachten. Nach unserer Erholungsphase brechen wir auf, fahren noch nach Scottburgh an den Strand, da wir nicht wissen wann wir das nächste Mal das Meer sehen werden und brechen auf zu einem kleinen Zwischenstopp in Pietermaritzburg, bevor es für uns wieder zurück in die Natur in die Drakensberge geht!