Ein bisschen zu viel Obstler im Biergarten
Es ist Freitagmittag, der 17. Dezember, in T-48 Stunden fährt unser Überlandbus von Windhoek nach Kapstadt in Südafrika. Wir sitzen ratlos gegen unsere Backpacks gelehnt auf dem Boden vor unserer ehemaligen Unterkunft. Das Problem: wir stecken in Swakopmund fest, 350km von der Hauptstadt entfernt. Es sind keine Mietwagen verfügbar und alle anderen Transportmöglichkeiten für den morgigen Tag sind entweder ausgebucht oder unbezahlbar. Zu allem Überfluss müssen wir uns mit einem wirklich bösartigen Kater auseinandersetzen - die Sorte Kater, bei dem man sich schwört nie wieder zu trinken, ihr kennt das sicher. Eine Unterkunft für die heutige Nacht haben wir auch nicht mehr und den notwendigen Test zur Grenzüberquerung den wir irgendwie auch noch vor Abreise aus Windhoek machen müssen, macht die Situation nicht unbedingt einfacher. Was ist passiert?
Drei Tage zuvor steigen wir in den Shuttlebus in Windhoek. Die 4-stündige Fahrt nach Swakopmund ist wirklich schön, je näher wir der Küste kommen desto wüstenähnlicher und menschenleerer wird die Landschaft, absolut paradox. In unserem Hostel angekommen stellen wir fest, dass wir zwar am Meer sind, es aber einfach 20 Grad weniger als bei Antritt unserer Reise hat, womit wir irgendwie überhaupt nicht gerechnet haben. Da es bereits dämmert und wir daher so oder so nicht mehr schwimmen gehen können, laufen wir erst einmal in Richtung Innenstadt. Swakopmund war zu Kolonialzeiten der wichtigste Hafen für Einwanderer aus Deutschland und dieser Einfluss zeigt sich noch bis heute sehr stark. Deutsche Straßennamen, alte Kolonialgebäude und eine Vielzahl an Brauhäusern und Restaurants (und das Wetter natürlich) verleihen der Stadt ein Gefühl, als würden wir gerade an der Ostsee entlang spazieren. Absolut merkwürdig, aber nach mittlerweile 3 Monaten unterwegs, freuen wir uns tatsächlich auf etwas „Heimatgefühl“ beim Essen, weswegen wir auch direkt im „Fachwerk-Biergarten“ landen, wo zufällig gerade ein Bingoabend stattfindet. Wir spielen fleißig mit ohne zu gewinnen, essen Brezeln und Semmelknödel, trinken frisch gezapftes Bier, unterhalten uns auf Deutsch mit unseren Sitznachbarn (immer noch ein absolut merkwürdiges Gefühl) und spazieren anschließend mit einem guten ersten Eindruck von der Stadt zurück in unsere Unterkunft.
Den nächsten Tag starten wir mit einer Erkundungstour bei Tageslicht (es sieht immer noch aus wie an der Ostsee) und klappern ein paar Mietwagenfirmen ab um unsere Weiterreise zu organisieren. Es deutet sich bereits an, dass unser Plan mit einem Mietwagen bis nach Südafrika zu fahren schwierig wird, da die meisten Firmen entweder keine Autos mehr haben oder aber unglaublich hohe Gebühren für eine Abgabe des Autos in einer anderen Stadt verlangen. Jeder Mensch mit dem wir vor Ort sprechen, fragt uns auch immer wieso wir nicht einfach fliegen, das sei doch viel einfacher und günstiger. Unser Ziel war es aber immer von Tansania über den Landweg bis nach Südafrika zu kommen und Weihnachten in Kapstadt zu verbringen und wir sind noch nicht bereit diesen Plan so kurz vor unserem Ziel aufzugeben. Da wir heute nichts weiter ausrichten können, landen wir nachmittags irgendwie schon wieder im Fachwerk-Biergarten (diese Knödel waren auch einfach nur zu geil), schreiben dort Tagebuch, gehen Abends noch gemütlich in einem anderen Restaurant essen, anschließend auf einen Absacker zurück in den Fachwerk-Biergarten und gehen ziemlich unspektakulär früh schlafen.
Der darauffolgende Tag fängt gemütlich mit einem guten Frühstück an, anschließend schlendern wir erneut durch die Stadt, kaufen uns einen Collegeblock (als hätten wir geahnt, dass wir den später noch brauchen sollten), durchforsten die verschiedenen Buchläden und decken uns wieder mit deutschen Büchern ein und versuchen uns anschließend um unser Autoproblem zu kümmern. Da wir nicht weiter wissen, erinnern wir uns an Heiko, die ominöse Stimme am anderen Ende der Leitung aus Katima Mulilo! Wir schildern ihm unsere Situation und er verspricht sich morgen früh bei uns zu melden und uns dann hoffentlich ein Auto bereitzustellen, mit dem wir zwar nicht bis Kapstadt aber zumindest ein gutes Stück nach Süden reisen können. Wir haben alles erledigt für heute und sind schon wieder ein wenig durstig, also laufen wir einfach erneut zum Fachwerk-Biergarten, wo heute ein Open-Mic Abend stattfindet. Obwohl wir noch keinerlei Idee haben wie wir morgen aus Swakopmund wegkommen sollen, artet der Abend natürlich vollkommen aus. Während verschiedene Gäste auf der Bühne singen, rappen oder tanzen, probieren wir uns quer durch die Schnapskarte, bis wir kurz vor Schließung des Biergartens von einer Deutschen und einem Äthiopier mit den Worten „Hey, you guys look like you are our roommates“ angesprochen werden. Und tatsächlich sind die beiden mittlerweile bei uns in den Schlafsaal gezogen und haben uns offensichtlich an unseren Backpacks im Raum erkannt. Ab dann wird es nur noch verrückter. Wir landen alle gemeinsam in irgendeiner Absteige, es gibt Tequila und merkwürdige blaue Cocktails und wie wir nachts in unser Zimmer gekommen sind (den Schlüssel haben wir verloren) ist uns bis heute ein Rätsel. Sagen wir mal so, es hat sich die vorherigen Tage angedeutet, dass so etwas passieren könnte, wir sind trotzdem erstaunt darüber, dass es zum ungünstigsten Zeitpunkt so ausgeartet ist haha.
Nach einer kurzen Nacht fühlen wir uns morgens wie vom Zug überrollt und befinden uns in der anfangs geschilderten Ausgangssituation. Heiko meldet sich mittags bei uns und konnte tatsächlich ein Auto auftreiben, leider weit außerhalb unseres Budgets, sodass wir etwas traurig absagen müssen, da wir eigentlich noch mehrere Orte in Namibia erkunden wollten. Wir gehen erst einmal Fish & Chips essen (eine wirklich dumme Idee in unserem Zustand) und betreiben ein wenig Recherche.
Dabei erfahren wir, dass übermorgen der Bus nach Kapstadt fährt, die nächste Option ist erst am 24. Dezember. Da wir Weihnachten nicht im Bus verbringen wollen, buchen wir uns diesen Bus und müssen uns eigentlich nur noch eine neue Unterkunft für heute Nacht suchen und morgen in den Shuttlebus nach Windhoek springen. Fünf Telefonate mit fünf verschiedenen Transportunternehmen später wird uns klar, dass wir feststecken. Was nun? Erst einmal wechseln wir die Unterkunft in ein angenehmeres Hostel und legen uns für 3 Stunden schlafen, hilft ja alles nichts. Nach ein paar Stunden Schlaf fühlen wir uns schon fitter und beschließen am nächsten Tag gleich morgens zu versuchen zu trampen, in der Hoffnung, dass wir es rechtzeitig nach Windhoek schaffen um uns noch testen zu lassen und das Ergebnis wiederum rechtzeitig erhalten um am Folgetag in den Bus steigen zu können. Wird schon schiefgehen haha. Den restlichen Abend verbringen wir noch mit Katerpizza beim Italiener. Als der Wecker früh morgens klingelt, packen wir schnell alles zusammen und gehen erst einmal in Ruhe frühstücken, auf leeren Magen klappt das schließlich alles so oder so nicht. Im Café basteln wir uns unser Tramperschild auf unserem Collegeblock und machen uns im Anschluss auf den Weg zur nächstgelegenen Tankstelle.
Ab dann kommen wir aus dem Staunen nicht mehr heraus. Original der erste Fahrer den wir ansprechen, erklärt sich nach einem kurzen Gespräch bereit uns mitzunehmen. Elifas ist Mitarbeiter einer Logistikfirma und muss heute seinen Kleintransporter zurück nach Windhoek bringen, bevor er in sein wohlverdientes Wochenende starten kann. Als der gute Mann dann auch noch fragt, ob wir ein Problem damit haben, dass er im Auto raucht sind wir direkt gute Freunde haha. Wir sitzen zu dritt vorne, rauchen, diskutieren über Politik, er predigt ein wenig (ein sehr gläubiger Christ) und wir erreichen Windhoek absolut komfortabel gegen Mittag. Danke Universum! Wir steigen in das nächste Taxi, fahren zur Teststelle, kommen auch dort direkt ohne Termin dran und sitzen gegen 15 Uhr tatsächlich in unserer Unterkunft in der Hauptstadt, wo wir einen gemütlichen Tag verbringen werden – alles irgendwie zu schön um wahr zu sein. Was für eine unglaublich geile Erfahrung!! Obwohl am Ende alles gut gegangen ist, ärgern wir uns ein wenig über unseren selbstgemachten Stress und vor allem darüber, dass wir weit weniger in Namibia gesehen hatten, als wir eigentlich wollten. Da wir aber bereits beschlossen haben noch einmal nach Namibia zurückzukehren und dann mit besserer Vorbereitung (also einem günstigeren Mietwagen haha) das Land für mehrere Wochen zu erkunden, steigen wir am nächsten Morgen trotzdem voller Vorfreude auf Südafrika in unseren Sleepliner und machen uns auf den Weg in das 1.500 km entfernte Kapstadt.